Mein Kind, mein Hund, das Nein-Sagen und die Sache mit der Weltherrschaft…

„NEEEEEIIIIN!!!!“ Mein Sohn möchte derzeit nicht am Tisch sitzen und essen, er möchte lieber am Boden sitzen. Egal, mit welchen Tricks wir es auch versuchen, entweder sitzt er am Tisch, dann aber auf unserem Schoß und wir können selbst nicht essen, oder er sitzt eben am Boden und verschlingt zufrieden sein Essen. Jacke anziehen? – „Nein!“ Jacke wieder ausziehen – „Nein!“ …

Unser Hund Dingo ist momentan ebenfalls hochinteressant für ihn. Sehr oft schafft mein Sohn es schon, ihn langsam und sanft zu streicheln, was Dingo mittlerweile sogar genießen kann (wobei er noch nicht richtig entspannt ist dabei – zu lebendig ist die Erinnerung an die Momente, wo aus dem Streicheln innerhalb einer Sekunde ein Zwicken wurde). Sehr oft schafft er es allerdings auch, ihm im Garten mit einem Kübel Wasser nachzulaufen, mit hoch erhobenen Armen frontal auf ihn zuzulaufen, oder aber er versucht sich lachend an mir vorbei zu schummeln, um zu seinem Hundebett zu kommen, auf dem Dingo gerade zufrieden vor sich hinschlummert.

Mein Hund sagt ebenfalls „Nein!“. Dieses Nein ist bei weitem nicht so laut gebrüllt, wie das von meinem Sohn und somit für diesen (noch) nicht deutlich erkennbar, was die Sache für uns nicht unbedingt einfacher macht. Mit vielen feinen kleinen Signalen, spricht er mit seinem Körper. Blick abwenden, sich über die Nase lecken, den Körper wegdrehen, weggehen … um nur einige Beispiele zu nennen.

Auch gemeinsame Spaziergänge haben es zurzeit durchaus in sich. Während Dingo schon unruhig hin und her wetzt, weil er dringend raus muss, findet mein Sohn es gerade viel lustiger, von seinem Zimmer ins Wohnzimmer zu laufen und wieder zurück, und hin, und zurück, und hin… Haben wir es dann geschafft und alle sind erfolgreich im Auto, angeschnallt und sicher, habe ich kurz Zeit durchzuatmen, während ich mit dem Auto ins Grüne fahre. Dort angekommen, will mein Hund endlich weiter, mein Sohn gräbt gerade in der Erde oder beobachtet einen Schmetterling. Gleichzeitig habe ich die Umgebung im Auge, um rechtzeitig reagieren zu können, wenn LäuferInnen, SpaziergeherInnen, andere Hunde, hoppelnde Hasen oder sonstige spannende Dinge auftauchen sollten. Sind wir dann zurück beim Auto, sind mein Hund und mein Sohn sich erstmals einig: „NEIN!“ Sie wollen noch nicht einsteigen. Sie wollen weitergehen und die Welt erkunden!

Das ist meist der Moment, in dem mir auffällt, dass ich selbst ziemlich durstig bin, mein Magen knurrt, mir kalt oder heiß ist, weil ich entweder zu viel oder zu wenig anhabe, ich mal dringend wohin müsste, ich schon wieder schlafen könnte…

Mache ich mir Sorgen, dass ich die Kontrolle verliere? Habe ich Angst, dass ich viel zu nachgiebig bin und mein Sohn und/oder mein Hund vorhaben, die Weltherrschaft an sich zu reißen? Befürchte ich, dass mein Sohn niemals am Tisch sitzen und essen wird und dass mein Hund mich nicht ernstnimmt, wenn ich ihn gewähren lasse, wenn er doch noch mal kurz wo schnüffelt und einen kleinen Umweg nimmt, um den Spaziergang etwas in die Länge zu ziehen?

NEIN, das tue ich nicht! Und ganz ehrlich, wenn ich das tun würde, müsste ich definitiv an mir selbst und meinem Selbstwertgefühl arbeiten und nicht meinen Sohn oder meinen Hund dafür verantwortlich machen. Unter uns gesagt – so zwischen all dem vergossenen Schweiß und den verlorenen Nerven – eigentlich sitze ich selbst oft lieber am Boden als am Tisch. Auch ich genieße es, wenn wir beim Spazierengehen etwas trödeln, langsamer werden, sitzen und schauen. Kurz eine Verschnaufpause einlegen. Einem hoppelnden Hasen nachschauen, in der Erde graben, den Schmetterling beobachten.

Im Grunde bestimme ich den Tagesablauf von beiden, also den von meinem Sohn (mehr oder weniger) und den von meinem Hund (zu 100%). Ich entscheide, was wir machen werden, was und wann es etwas zu essen gibt, wen wir besuchen werden, wo wir hinfahren, und so weiter. Da ist es doch nur mehr als fair, wenn ich ihnen, wo immer es möglich ist, etwas entgegenkomme und die Sache „nicht ganz so ernst“ nehme. Viel wichtiger als alles andere für mich, ist, dass mein Kind und mein Hund mir vertrauen. Sich auf mich verlassen können. Dass sie beide wissen, dass ich da bin, wenn es darauf ankommt. Und das Schöne am „Nein!“-Sagen-dürfen ist, dass sie beide dadurch in vielen Dingen viel eher bereit sind, mir entgegenzukommen. Kooperation und Freundschaft, auf Augenhöhe und mit Respekt! In diesem Sinne…

Gehe nicht hinter mir, vielleicht führe ich nicht.
Geh nicht vor mir, vielleicht folge ich nicht.
Geh einfach neben mir und sei mein Freund.
Albert Camus

 

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