Mein perfekt UNperfekter Hund und seine vielen Talente ODER die Bekenntnisse einer Hundetrainerin

Ich bin ausgebildete Hundetrainerin, mache laufend Fortbildungen und ich habe seit etwas mehr als 10 Jahren immer Hunde an meiner Seite und – jetzt kommt die ganze Wahrheit – mein derzeitiger Hund ist nicht perfekt!! Nicht ansatzweise! Er ist auch nicht immer entspannt und ruhig, er kann richtig hibbelig sein, er freut sich nicht bei jeder Hundebegegnung, die wir haben, und er ist absolut kein Hund, den ich mitnehmen würde, wenn irgendwo besonders viel los ist, das würde ihn viel zu sehr anstrengen. Er neigt in stressigen Situationen zu reaktivem Verhalten, er ist hochsensibel und braucht viel Einfühlungsvermögen, Klarheit und Struktur, damit er entspannen kann. Er hatte von Beginn an ein Thema mit Geräuschen (jedes Jahr wieder freue ich mich, wenn Silvester endlich vorbei ist, auch wenn es immer besser wird), was für einen Hütehund ja nicht so selten ist. Er lässt sich von meinem zweijährigen Sohn auch nicht alles gefallen und seine Geduld ist dabei endend wollend. Er kommt übrigens nicht aus dem Tierschutz oder aus schlechten Haltungsbedingungen, um einem verbreiteten Vorurteil entgegenzuwirken. Er kommt aus einer sehr verantwortungsvoll und vorbildhaft geführten Zucht. Aber die Kombination aus seinem tendenziell unsicheren, ängstlichen Wesen und ein paar schlechten Hunde-Erfahrungen, die in einer für ihn prägenden Zeit so richtig blöd gelaufen sind, begleiten uns Tag für Tag.

Dabei gibt es sehr gute Tage und dann auch wieder mal etwas weniger gute Tage. Tage, an denen ich das Gefühl habe, dass er alle Herausforderungen richtig toll meistert und Tage, an denen ich denke, dass wir wieder am Anfang stehen. Ja, auch ich als Hundetrainerin, bin NUR ein Mensch, genauso, wie mein Hund eben NUR ein Hund ist 😊

Damit wären wir bei einem weiteren Vorurteil: Wir HundetrainerInnen haben die perfekten Hunde, die den ganzen Tag bei Fuß laufend,  sich freundlich durch die Gegend schwänzelnd von jedem einfach alles gefallen lassen, dabei immer entspannt sind und einfach nie Ärger machen! Sie pupsen nicht, betteln nie, mögen alle anderen Hunde, Menschen, Radfahrer, Kinder, Tiere, …, würden einfach nie auf die Idee kommen zu jagen, sich im Dreck zu wälzen oder einmal zu bellen. Sie zeigen nie aggressives oder ängstliches Verhalten, haben generell keine Macken und warten den ganzen Tag nur auf Anweisungen von uns … oder so ähnlich.

Ich muss euch hier leider enttäuschen, NEIN, ganz so ist das nicht. Außer vielleicht bei den TrainerInnen, die einen Tamagotchi-Hund zuhause haben (oder wie diese kleinen Elektrodinger geheißen haben, die es vor Jahren einmal gegeben hat.).  Aber das sind höchstwahrscheinlich die wenigsten von uns 😉

Unsere Hunde sind eben auch „NUR“ Hunde, was bedeutet, dass sie soziale fühlende Lebewesen sind, mit all ihren Stärken und Schwächen, mit guten und mit schlechten Tagen. Mit all ihren individuellen Eigenheiten, die sie mitbringen. Genau wie jeder andere Hund eben.

Was hilft mir mein HundetrainerInnen-Wissen dann? Es hilft mir, die Situationen besser einschätzen zu können. Es hilft mir, meinen Hund besser lesen zu können und besser auf seine Bedürfnisse eingehen zu können. Ich weiß, wie ich ihm kleinschrittig beibringen kann, auf bestimmte Signale hin bestimmtes Verhalten zu zeigen. Ich weiß, wie ich ihm dabei helfen kann, in für ihn stressigen Situationen andere Strategien zu entwickeln (Stichwort Alternativverhalten) und dass es nicht notwendig ist, die Nerven zu verlieren. Es hilft mir auch, bestimmte Grenzen als solche anzuerkennen und meinen Hund nicht unnötig in Situationen zu bringen, denen er AUS WELCHEN GRÜNDEN AUCH IMMER einfach nicht gewachsen ist – vielleicht NOCH nicht gewachsen ist, vielleicht ist er es aber auch nie. Das ist in Ordnung. Er muss nicht alles können. Er ist kein Roboter! Ich persönlich bin beispielsweise auch nicht der Typ, der seinem Hund ständig Tricks beibringt – das hat mich noch nie sonderlich interessiert (was nicht heißen soll, dass das keine schöne Beschäftigung für Mensch & Tier sein kann, es ist eben einfach nicht so meins). Für mich ist es wichtiger, dass mein Hund mit mir und meiner Familie gemeinsam ein möglichst schönes, bedürfnisgerechtes Leben führen kann. An unserer Seite, mitten unter uns, mit all seinen Stärken und „Schwächen“.

Dieses Wissen hilft mir auch, andere Menschen mit ihren Hunden zu unterstützen, wenn sie das möchten. Den Druck rauszunehmen, alles perfekt machen zu müssen. Strategien zeigen, die Mensch & Hund weiterhelfen. Freude und Spaß wiederzuentdecken, wenn sie auf dem gemeinsamen Weg irgendwo verloren gegangen sein sollten. Bedürfnisorientiertes Training, basierend auf positiver Verstärkung – das ist es, was ich anderen Menschen und Hunden von Herzen gerne näherbringen möchte.

Und hier kommt zum Abschluss eine Liebeserklärung an meinen perfekt UNPERFEKTEN Hund, weil er so Vieles so toll macht und gut kann:

Mein Hund kann unglaublich gut kuscheln und auf meinen Füßen sitzen, auch bei 35 Grad Sommerhitze. Er ist in den letzten Jahren mehrmals mit mir umgezogen, hat eine Trennung miterlebt und neue Lebensabschnitte mit mir beschritten. Er hat meine Schwangerschaft und die Geburt meines Sohnes miterlebt und ist dabei unglaublich anpassungsfähig, auch wenn dadurch viel weniger Zeit für ihn bleibt. Er kann problemlos zuhause bleiben und warten, wenn wir alleine unterwegs sind. Er orientiert sich beim Spazierengehen wunderbar an mir und nimmt darauf Rücksicht, dass sich durch meinen Sohn Tempo und Länge des Spaziergangs erheblich verändert haben – oft habe ich sogar den Eindruck, dass ihm das selbst ziemlich guttut. Im Kontakt mit meinem kleinen Sohn wählt er immer das Weggehen (wenn es möglich ist), wenn er merkt, dass es „unangenehm“ für ihn werden könnte und er erwartet sich dann freudig dreinblickend sofort ein Leckerli von mir (was er in diesen Situationen in Kombination mit überschwänglich verbalem Lob IMMER ausreichend bekommt!).  Beim Spazierengehen ist er unglaublich geduldig, wenn mein Sohn ihm ein Stockerl „wirft“ (es fliegt nur ca. einen Meter weit) oder ihm ein Leckerli füttern will (und dieses erst einmal in aller Ruhe selbst anschauen und in der Hand halten muss.). Er ist in den letzten Jahren immer entspannter und ruhiger geworden und vertraut mir, er ist Neuem gegenüber immer mutiger und kann auch mit Gewittern und Silvester immer besser umgehen. Auch bei Hundebegegnungen reagiert er ruhiger und ist meist gut ansprechbar, auch wenn ein gewisser Abstand für ihn immer wichtig sein wird (was völlig in Ordnung ist, jeder Hund hat seine Individualdistanz, die bei einem größer, beim anderen kleiner ist).

Kurz gesagt: Mein Hund ist toll. So viele Talente und vor allem: ein wundervoller Freund an meiner Seite!

In diesem Sinne… worauf wartet ihr noch? Setzt euch hin und schreibt eurem Hund eine kleine Liebeserklärung. Was kann er ganz toll? Ich bin sicher, die Liste wird lang werden. Empfindet Freude und Stolz, denkt an all die vielen Schritte, die ihr gemeinsam schon gemeistert habt. Und solltet ihr auf eurem weiteren Weg Unterstützung brauchen, meldet euch gerne bei mir! Ich freue mich darauf, euch und eure perfekt UNperfekten Hunde kennenlernen zu dürfen!